Und wie ist das alles entstanden? Aus einer Laune heraus.
Ende der Karriere? Jetzt erst recht!
„Frau – duales Studium – nur ein Arbeitgeber bisher? Sie haben schon das Maximum erreicht!“
Das musste ich mir nach 15 Jahren von meinem Chef anhören. Hatte ich richtig gehört? Mit meinen gerade mal 33 Jahren sollte es das gewesen sein? Abteilungsleiterin bis zur Rente? Nicht mit mir dachte ich.
Schwanger in die Selbstständigkeit?
Und so entstand ein verrückter Gedanke. Obwohl ich schwanger war und in Kürze meinen Sohn zur Welt bringen würde, entschied ich mich, den sicheren Hafen eines großen Arbeitgebers zu verlassen und den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Je mehr ich darüber nachdachte, um so klarer wurde mir, dass das auch viel besser zu mir passte. Endlich wieder direkt mit Kunden arbeiten, Probleme lösen, selbst entscheiden, wann, wie viel und vor allem für wen ich arbeite. Wertgeschätzt werden für das, was ich tue und kann und nicht abgewertet werden für das, was ich vermeintlich bin oder nicht bin.
Aller Anfang ist leicht
Die ersten Schritte waren schnell gemacht. Kündigung eingereicht und meine bisherigen Kunden informiert – ich hatte schon einige Jahre nebenberuflich Websites für verschiedene Firmen erstellt und betreut. Und so ging es los. Mein kleiner Sohn lag meist in meinem Arbeitszimmer auf einer Decke neben mir auf dem Fußboden oder ich trug ihn im Tragetuch bei mir, vereinzelt sogar bei Meetings mit Kunden. Die Arbeit konnte ich mir flexibel einteilen und natürlich war ich am Anfang nicht Vollzeit ausgelastet. Das änderte sich jedoch sehr schnell. Ich wurde weiterempfohlen und so baute ich mir innerhalb kürzester Zeit einen ansehnlichen Kundenstamm auf. Bereits im ersten Jahr engagierte ich eine Freundin, damit sie mir die lästige Buchhaltung abnehmen sollte und einen Studenten für die alltägliche Arbeit, so dass ich mich auf die interessanten und komplexeren Projekte konzentrieren konnte.
Beteiligungsangebot: Finanzielle Sicherheit zum hohen Preis
So ging das ein paar Jahre. Es kamen neue Kunden und so viele Aufträge, dass ich bald meine ersten Mitarbeiter fest einstellte. Zu meiner großen Freude bekam ich außerdem die Zulassung als Ausbildungsbetrieb, so dass ich seit 2008 junge Menschen zu Mediengestaltern ausbilden darf. Das Unternehmen wuchs, die Projekte wurden komplexer und größer und insbesondere ein Kunde nahm immer mehr Raum ein, ja machte irgendwann 50% unseres gesamten Umsatzes aus. Und dann kam der kritische Moment: Dieser Kunde machte mir ein Beteiligungsangebot. Einerseits verlockend, aber andererseits auch irgendwie bedrohlich. War es das, was ich wollte? Dieser Kunde war nicht einfach. Wenn er unzufrieden war, kam es vor, dass er seine Wut an mir und meinem Team ausließ. Da flossen manchmal sogar Tränen. Nicht unbedingt die Art von Kunde oder sogar Geschäftspartner, die ich mir wünschte. Aber wenn ich ablehnen würde… was dann?
Mutig voran… oder doch zurück?
Das war mit Sicherheit die schwierigste Entscheidung, die ich als Unternehmerin treffen musste. Ich entschied mich. Mutig gegen die finanzielle Sicherheit und für die Unabhängigkeit und die Harmonie. Damit entschied ich mich aber auch gegen diesen Kunden. Wie zu erwarten gewesen war, zog er sich nach dem Nein zurück und verlagerte seine Aufträge zu anderen Agenturen und stürzte mich damit in die größte Existenzkrise seit meiner Gründung. Nach verzweifelten Versuchen, den weggebrochenen Umsatz aufzufangen, musste ich dann doch reagieren. Ich verkleinerte mein Team, musste sogar eine Mitarbeiterin betriebsbedingt kündigen. Aber es gelang mir, das Unternehmen zu retten.
Gegenseitige Wertschätzung über alles
Obwohl das eine harte Zeit war, die manche schlaflose Nacht mit sich gebracht hat, so habe ich diese Entscheidung dennoch nie bereut. Seit diesem Schritt gab es immer mal wieder Situationen mit Kunden, die meinen Mitarbeitern oder teilweise auch mir gegenüber ausfallend geworden sind. Heute habe ich das Selbstvertrauen, hier sofort Grenzen aufzuzeigen und mich notfalls auch von Kunden zu trennen. So arbeiten wir inzwischen ausschließlich mit Menschen zusammen, die unsere Arbeit wertschätzen und partnerschaftlich mit uns umgehen. Und das war für mich die bedeutendste Erkenntnis: Nichts ist so wichtig wie eine gute Zusammenarbeit, in der beide Seiten empathisch und wertschätzend miteinander umgehen. Dann steht die Freude an der Arbeit im Mittelpunkt. Für mich. Für mein Team. Und für unsere Kunden.